Sonntag, 6. Oktober 2013

[Rezension] Die andere Seite - Alfred Kubin


 




Verlag: Suhrkamp (2009, orig. 1908)
Preis: 25,00€
Gebunden
Seiten: 308
ISBN: 978-3-518-22444-1









Inhalt

Eines Tages bekommt er von jemandem Besuch, der ihm sagt, dass sein alter Schulkamerad Claus Patera ihn in sein Traumreich einlädt um dort zu leben. Anfangs ist der Erzähler ein wenig skeptisch, lässt sich schlussendlich aber dennoch davon überzeugen mit seiner Frau in die Hauptstadt Perle zu ziehen. Hier begegnet ihm eine vollkommen andere Welt, die in der Vergangenheit lebt und dem Alten und Verbrauchten Wert zuschreibt. Es stellt sich heraus, dass das Reich einem Überwachungsstaat gleicht und Patera der unangefochtene Herrscher ist. Doch dann kommt der Amerikaner Bell ins Reich, der sich gegen den mysteriösen Patera wehrt und ihn stürzen will. In seinem Eifer gleicht er mehr und mehr einem Diktator und die Grenzen zwischen Gut und Böse schwinden immer mehr im apokalyptischem Kampf um die Herrschaft.


Eindrücke

Die andere Seite ist Kubins erster und einziger Roman. Eigentlich war der Autor Künstler und Illustrator und im Buch selbst finden sich verschiedene Zeichnungen von ihm, die die Stimmung und Atmosphäre der Handlung sehr gut wiederspiegeln.  

Die Gesellschaft innerhalb der Grenzen des Traumreiches, die Kubin beschreibt, ist einerseits sehr interessant und andererseits sehr befremdlich. Sie unterscheidet sich in vielen Punkten von den heute beliebten Dystopien in der Weise, dass der Protagonist selbst nicht aktiv gegen das System kämpft, sondern sich damit arrangiert und zusieht, wie es von einem Amerikaner in die Apokalypse gestürzt wird. 

Der Protagonist selbst erhält keinen Namen, wodurch man sich sehr gut in seine Gefühlswelt hinein versetzen konnte. In einigen Situationen war er mir aber doch rätselhaft, etwas zu unentschlossen und in seinen Gedankengängen nicht stringent genug, als dass ich eine besondere Beziehung zu ihm hätte aufbauen können. Fasziniert hat mich aber wie gut es Kubin geschafft hat, die Verzweiflung und Ratlosigkeit des Hauptcharakters darzustellen. Gerade in der Zeit, als Bell anfängt Unruhe zu stiften und alles aus den Fugen gerät, bittet er Patera um Hilfe und man erkennt, wie sehr er an dem Reich hängt, das ihm eigentlich so viel genommen hat.

Patera selbst ist ein passiver Protagonist, denn er erscheint nicht selbst und hält sich im Hintergrund. Auch diesen Aspekt fand ich sehr interessant, denn dadurch tritt er in eine gottähnliche Rolle, weil er als unantastbarer Schöpfer auftritt. Er lässt dem Geschehen seinen Lauf und dennoch rettet er auf eine bestimmte, wenn auch auf absurde Weise, seine Bürger. 

Was ich als sehr intelligent dargestellt empfand, war die Entwicklung des Guten und des Bösen. Anfangs ist das Traumreich noch neu, interessant und abenteuerlich und je mehr man es kennen lernt, desto mehr fühlt man sich beengt von karikaturesken Persönlichkeiten und den diktatorischen Zügen der Gesellschaft. Bis Bell auftritt, kann man Patera einfach nicht einschätzen. Bell, der reiche, extravagante Amerikaner, der viel Geld dafür zahlt, um in das Traumreich aufgenommen zu werden, ist sehr stereotypisch, eitel und von sich selbst mehr als nur überzeiugt. Von Anfang an war er mir unsympathisch und viel zu aufbrausend, arrogant und auch ignorant. In diesem Moment war ich mir schon nicht mehr sicher auf wessen Seite ich stehen soll und ob es nicht vielleicht doch Patera ist, der eigentlich im Interesse seiner Bürger handelt. So verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen dem was gut ist und dem Schlechten und schlussendlich zeigt Kubin damit, dass das meiste relativ ist und verspottet in gewisser Weise den Kapitalismus.


Fazit

Das Werk ist ein sehr phantastisches Buch (in beiden Sinnen), denn es verbindet viele schöne, phantasievolle Elemente mit tollen Bildern und düsterer Atmosphäre und bildet gleichzeititg eine Satire auf den Kapitalismus und die Gier. 
Ich glaube nicht, dass das Genre der Satire für jeden etwas ist, weil es grundsätzlich sehr schwierig ist, es umzusetzen und noch schwieriger es gut umzusetzen, aber mir hat Kubins Werk sehr gut gefallen und es ist auf jeden Fall ein Muss für alle Dystopienfans!




Mittlerweile hat der Rowohlt Verlag das Buch als Taschenbuch herausgegeben.

Mögt ihr satirische Werke?



Bis bald,

Eure Anne

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